Rund um „Neues Führen & Arbeiten“

am Donnerstag, 09 November 2017.

Abstract:
Führungsmethoden sind kein Passepartout, sondern müssen sowohl theoretisch konsistent abgeleitet und empirisch validiert werden. In der Praxis kommt es auf Einsatzumfeld & Passung (Konsistenz, Praktikabilität, Leistbarkeit, Anschlussfähigkeit) sowie auf Funktionalität und Zielschwerpunkte an.
Die populäre Probierkultur verführt im Umkreis der Dachbegriffe „Digital Leadership“, „Agilität“, „New Work“, „Ambidextrie“ zum beliebigen Einsatz einer Methode – flankiert von der Reset-Logik digitaler Spiele. Es gilt, siehe oben + Fokus auf Kernakzente oder –ziele einer Methode.

Methoden und Führungspraktiken brauchen Theorie, Passung, Kernziele
Anlass der knappen Darstellung sind vermehrt Fragen danach,

  • welche Rolle Führungstheorien in der modernen Probierkultur haben;
  • was die Schlagwörter New Work, Agiles Führen & Ambidextrie meinen;
  • was in der Praxis an VUCA und VOPA+ bedeutsam ist
  • welche agilen Methoden nützlich und erprobt sind;
  • worauf beim Einsatz zu achten ist.

Methode nach gusto und als Passepartout?
Führungsmethoden werden häufig als Buffet wahrgenommen: Je nach Geschmack – bitte wählen.

Jedoch ist es so einfach nicht; denn das Geschmackserlebnis ist abhängig von zahlreichen Variablen wie Herkunftsland, Modi der Verarbeitung, subjektives Geschmackserlebnis, das wiederum aus Variablen besteht wie Anlass, ästhetisches, soziales Umfeld, persönliche Gestimmtheit etc.. Ein Lebensmittel, das allen in derselben Situation gleichermaßen mundet, ist unwahrscheinlich. Gourmets berücksichtigen dies in ihrem Urteil und ihren Empfehlungen - Berater/Weiterbildner und Praktiker in Personal und Management sollten dies bei Auswahl und Anwendung von Methoden ebenfalls tun.

Eine Methode ist kein Passepartout. Jede ist kontextuiert, steht in einem Ableitungs- und praktischen Passungsverhältnis zu Theorie, Praxis & Praktikabilität.
Ob induktiv, deduktiv oder aus dem Raum dazwischen: Jede Methode steht im Bannkreis bestimmter Vorannahmen und Intentionen und ist in der Realisierung an definierbare Rahmenbedingungen gebunden. Theorie und Praxis gehen Hand in Hand.

Leider wird die ideelle/philosophische/ideologische, wissenschaftlich-theoretische, konzeptionelle und pragmatische Einbettung von Methoden vernachlässigt – und damit wesentliche Voraussetzungen für das gelungene Anwenden in der Praxis.

Das gegenwärtige Pathos des unmittelbaren Mitmachens befördert das Anwenden von Methoden im Geist der Beliebigkeit, geadelt als Methode des Probierens, vor allem im Sinn von Versuch & Irrtum: Machen, Testen, Iterieren, Verbessern und – und das ist das Problematische – dies als „Methode“ generalisiert. Probieren ersetzt gründliches Vor-, Mit-, Nach-, Bedenken. Vorschub leistet die Ideologie der Daten. Big Data provoziert den Ausruf vom Ende der Theorie (zuweilen gar der Strategie) und krönt Empirie (der WW) zur Kaiserin.

Eine der (unternehmerisch schädlichen) Pointen liegt darin, sich um jene theoretisch-sinnhafte Verankerung von Führungsempfehlungen keine Gedanken mehr machen zu müssen, die die Schwelle intuitiver oder emotionaler Plausibilität überschreitet. Es genügt gleichsam das spontane Nicken, das Bauchgefühl. Und da theoretisch abstinente Methoden den Vorzug haben, beliebig anwend- und rasch austauschbar zu sein, kann man eine „Probierkultur probieren“.

Das alles ist Verblendung und zeitigt in der Praxis schädigende Folgen; denn es wird so getan, als ob das Ausprobieren von Methoden mit der Möglichkeit eines Resets einhergeht. Das aber ist falsch. Entgegen dem Neustart in Spielen werden im bloßen Ausprobieren methodischer Praktiken Strukturen, Prozesse und Interaktion(smuster) umgebaut – Veränderungen, die einschneidend sind. Die Erfahrungen in Unternehmen demonstrieren eindrücklich die damit verbundenen Kosten (monetär, motivational, behavioral).

Wird die Auswahl einer Methode hingegen in einen konsistenten Ableitungs- und Passungskontext gestellt, liefert sie ihre Begründung geradewegs mit: Es wird nachvollziehbar, warum gerade diese Methode auserkoren wird.

Theorie liefert Sinnzusammenhänge & eine Systematik widerspruchsfreier Aussagen mit Erklärungs- und Voraussagekraft. Theorie liefert den Humus, Fragen an Daten zu stellen; Theorie ermöglicht ein erkenntnisgeleitetes Suchen nach Muster, kausalen Beziehungen, nach Erklärungen für Vergangenes, Gegenwart und Zukünftiges. Theorie liefert Regel-, Grundsatz-, Paradigmen-, Prinzipien-, Metawissen.

Big-Data-Anhänger begnügen sich mit reiner Empirie, in der Überzeugung, die rechnerisch hergestellten Korrelationen münden in kausal aussagekräftige Cluster, die bestimmte Interventionen und Geschäftsmodelle begründen. Und das theoriefrei. Dass auch sie implizite Annahmen treffen, ist wenig bewusst; denn ohne diese Rahmenannahmen wäre es unmöglich, Daten zu lesen.

Führungstheorien wollen erklären, unter welchen Bedingungen und aus welchen psychologischen, kognitiven, sozialen, wirtschaftlichen Gründen Menschen sich in welcher Weise führen lassen und führen möchten. Führungstheorien möchten Wirkungsbeziehungen bzw. deren Determinanten erkennen. Auf dieser Basis machen sie Voraussagen über Wahrscheinlichkeiten, welche Art des Führungshandelns in welchen Kontexten mit welchen Anforderungen an die Akteure den gewünschten Erfolg verwirklicht.

Auf dieser Grundlage werden Modelle und Methoden erarbeitet, die in Vorschläge an Führungspersonen münden. Modelle und Methoden sind pragmatisch und praktisch orientiert. Modelle abstrahieren von individuell-konkreten Aspekten, um den Horizont der Anwendungsfälle zu bestimmen. Modelle bilden Wirklichkeit nicht ab, sondern stilisieren. Auf diese Weise fokussieren sie, reduzieren Komplexität (durch Absehen individueller Diversität und Vielfalt) und stecken den Horizont sowohl ihrer Gültigkeit als auch ihres Anwendungsraums ab. Das viel gescholtene Menschenbild von Homo Oeconomicus, etwa, ermöglicht andere Interventionen als das der Verhaltensökonomie, das die so genannte Irrationalität bzw. Emotionalität und Moralität des Menschen einspeist und die Folgen der dadurch transportierten Unsicherheiten modellhaft berücksichtigt – und beispielsweise für die Entscheidungsfindung fruchtbar macht.

Eine Methode steht für systematisches, nach Regeln und explizierbaren Annahmen planmäßiges Denken und Handeln, das dem Erreichen von praktischen Zielen dient; Methode ist insofern eine zielbezogene Handlungssystematik. Die kennzeichnet das Wie, den Modus des Vorgehens, ist eine Art Verfahrensanweisung, wie in definierten Bedingungsgefügen konkret vorzugehen ist; es geht um Maßnahmen und Schritte, um ein Ziel zu erreichen. Jede Methode empfiehlt daher spezifische Werkzeuge: Tools.

Begriffsklärung: Digital Leadership, Agilität, New Work
Digital Leadership meint zweierlei: Führen in einem digitalisierten Umfeld & Führen mit digitalen Mitteln, etwa in der Funktion Digital Chief Officers.

Agilität: meint Beweglichkeit in alle Richtungen: eine adaptive Bewegungsmodalität je nach Erfordernis: zurück, zur Seite, nach vorn, zirkulär, spiralförmig. Agilität meint Adaptivität in verschiedenen Nuancen (Adaption/Adaptation, Assimilation, Akkomodation). Im Unterschied zu Flexibilität, die zuvörderst als reaktives Anpassen definiert wird, gilt Agilität als primär initiativ, antizipativ und daher innovativ bis disruptiv.

Ist „agil“ das neue „flexibel“?
Nein. Von Flexibilität wird zunehmen gesprochen dann, wenn es um reaktive Anpassung geht. Flexibel ist also immer eine konkrete Antwort auf konkrete Entwicklung. Flexibilität schließt ein: Überprüfen bisheriger Vorgehensweisen und deren Korrektur. Flexibilität schließt in Unternehmen ein, Strukturen und Prozeduren zu finden, die situationsunabhängig Anpassungsleistungen zulassen.

Agilität inkludiert dies und wird zudem prospektiv gefasst: Agil ist assoziiert mit Antizipation, Initiative, Innovation und antwortet auch auf das, was sein kann (wahrscheinlich oder möglich ist, sowohl zeitlich als auch inhaltlich).

Das Ideenkonstrukt Agilität gibt es seit den 1950er Jahren (Kybernetik, Systemtheorie). Eine Schlüsselfigur repräsentiert der amerikanische Soziologe Talcott Parsons. Ihm verdanken wir das AGIL-Schema, das zeigt, welche 4 Funktionen ein System und damit auch Unternehmen erfüllen müssen, um überlebensfähig zu bleiben: Adaptation (Reaktion auf Veränderungen im Umfeld), Goal Attainment (Ziele definieren und verfolgen), Kohäsion, Inklusion & Integration und Latency als Fertigkeit, grundlegende Strukturen und Wertmuster aufrechtzuerhalten.

Unter dem Akronym VUCA (US-Military College zur Zeit des 2. Irakkrieges) wird ein Weltbild vertreten, in dem Unberechenbarkeit, Unvorhersehbarkeit, Gesetzlosigkeit vorherrschen, so dass alle Akteure genötigt sind, sich in ihren Bewegungen situativ anzupassen, sich permanent einzuschwingen auf vorgefundene und erwartete wahrscheinliche oder mögliche Bewegung(srichtung)en, verbunden mit dem Ehrgeiz, neue Bewegungen bzw. Entwicklungsrichtungen zu initiieren.

Der paradigmatische Wandel im Denken besteht hierin: Traditionell wird Realität als eher deterministisches, folglich (in Grundzügen) vorhersagbares Geschehen begriffen. In Unternehmen wurde daher Change- und Risikomanagement so betrieben, als hätte man es bekannten Größen und kalkulierbaren Folgewirkungen zu tun: Wandel und Zukunft lassen sich vorhersehen und planen und folglich linear abarbeiten: Plan – Schritte – Ergebnisse gemäß Plan: Ziele als vorweggenommene Ergebnisse. Ab etwa den 1950er Jahren wird das Weltgeschehen als weniger berechenbar, sondern als unvorhersehbar, weil komplex begriffen. Die Schlagworte dazu: Dynamik, Korrelation, Eigengesetzlichkeit (von Teilsystemen), zeit- und ortsversetzte Wirkungen, Zirkularität u.ä.. In der Folge dominiert die Betrachtung des Geschehens als indeterminiert und unberechenbar (graue und schwarze Schwäne), daher nicht planbar. Schlussfolgerung: Überleben ist notwendig an eine „agile“ Anpassungsfähigkeit geknüpft: nicht nur reaktiv (flexibel), sondern zusätzlich mit Blick auf das Gerüstetsein für zukünftige, erwartbare, unerwartbare, wahrscheinliche und mögliche Entwicklungen (prospektiv-adaptativ: antizipativ).

Dementsprechend werden gegenwärtig im Rahmen agilen Führens herausgestellt:

  • Das Arbeiten am System, weniger im System: Fokus liegt darauf, die Selbststeuerungs- und erneuerungsfähigkeit des Systems zu erhöhen, also organisationales Lernen mit Blick auf eine visionierte Gesamtperspektive zu ermöglichen.
  • 5 Aspekte: 1) (hohes) Tempo, kurze Entwicklungszyklen, 2) reaktive und antizipative Anpassungsfähigkeit (inkrementell, disruptiv), 3) Kundenzentriertheit (kurze Entwicklungszyklen mit engen Rückkopplungsschleifen), 4) eine Geisteshaltung prinzipieller Offenheit mit entsprechendem Verhalten
  • Beherrschen agiler Methoden wie Scrum (Agiles Projektmanagement).

Was in die Praxis eingespeist werden sollte, ist zweierlei:

  1. Kontextbewusstsein: Differenzierung in der Anwendung agiler Methoden: sinnvoll vor allem in Unternehmen(sbereichen), die immer schnell reagieren, adaptieren können müssen, (folglich nicht in Bereichen mit hohem Grad an Standardisierung). Empfehlung von Fachleuten: agile Methoden pilotartig einführen (z.B. Ayelt Komus, Prof an Hochschule Koblenz).
  2. Zumutbarkeit: Auf die Belastbarkeit der Akteure achten, da Indizien zunehmen, die agiles Arbeiten kausal mit psychischer Überforderung verbinden. So etwa Prof. Lutz Becker, Hochschule Fresenius in Köln: Zahl ausgebrannter MA nimmt zu, da agile Selbstorganisation zehrt, weil jeder permanent im Alarmzustand ist (RM: das viel zitierte Always on); Freiheit agiler Strukturen verlangt, dass jeder mitdenken, Kritik äußern und annehmen können, ferner entscheiden (Verantwortung übernehmen) muss. Wird zudem, so das Fraunhofer Institut, eine Kultur gepflegt, in der jeder Prozess, jede Handlung, jede Leistung befragt und in Frage gestellt wird, belastet und disstresst das zusätzlich. Zudem zeigen neuere Befragungen, dass sich bis zu einem Dreiviertel von Agilität(sanforderungen) außerordentlich belastet fühlen und, vor allem bei den Jüngeren („Generation Z“) eine Präferenz für klare Strukturen, Prozesse und Ansagen sich entwickelt.
  3. Haltung: Ein Unternehmen muss nicht jede Mode mitmachen, sondern auf (Mega-) Trends reagieren (sie dauern an).
    (Hinweis: Spektakulär etwa der Ansatz „Holacracy“, von dem angenommen wird, dass erdweit zwischen 50 und 300 Unternehmen unterschiedlicher Größe diesen Ansatz, der die gesamte Organisation überzieht (OE), ausprobieren. Onlinehändler Zappos stellte, wie einige andere, das Experiment mit Agilem Projektmanagement ein: zu viele Formalia, da Hierarchie durch Kreise und Rollen ersetzt werden und gleichzeitig Regularien und Autoritäten nötig sind; und zu viel Diskussionsaufwand, der Zeit und Energie bei nicht selten unbefriedigendem Ergebnis benötigt und Motivation, Leistungseinsatz und –niveau verschleudert.)

New Work: Begriff geprägt von dem in Sachsen geborenen, in Österreich aufgewachsenen und in die USA ausgewanderten Sozialphilosophen Frithjof Bergmann (2004).

Im Sinn Frithjof Bergmanns: New Work ist sein Fazit von Überlegungen, wie Arbeit in der digitalisierten vernetzten Welt so gestaltet sein müsste, dass wirtschaftliches Wohlergehen mit individueller Freiheit konvergiert. Daher spielen Werte rund um das Konzept individueller Freiheit, Selbstständigkeit bis Autarkie, Verweben von beruflicher/ tätiger und persönlicher Lebensgestaltung eine zentrale Rolle.

New Work fungiert bei Bergmann als Chiffre für eine Lebensweise, die maßgeblich durch technologische Entwicklungen ermöglicht ist. „Neue Arbeit ist der Versuch, schrittweise dahin zu kommen, dass man in einem immer größeren Maß das tut, was einem entspricht, das tut, für das man eine Begabung hat, das tut, was einem nicht nur persönlich entspricht, sondern auch der Weltanschauung .“ (so Bergmann; Sein.de: AGORA24: Magazin für Ökonomie und Philosophie 2012) Mittels dezentraler Strukturen, kleiner, agiler und computergesteuerter Handwerk-Shops sowie "High-Tech-Eigen-Produktion" von Geräten, Apparaten, Materialien, Maschinen und Herstellungsarten soll es möglich werden, „60 bis 80 Prozent von dem, was wir zum Leben brauchen, selbst herzustellen“, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. „Die Rückkehr zu der Zeit vor dem Sündenfall ist ein ganz zentraler Teil des Zukunftsbilds, an dem wir arbeiten. Die Ökonomie soll untergeordnet werden, sie soll uns dienen und nebensächlich sein. Bildhaft gesprochen: eine Situation, in der die Fabriken klein werden, in der die Banken und Bürotürme klein werden – auch im Stadtbild. …Das verbinde ich mit folgender Überlegung: Wir haben die Technologie, die es uns ermöglichen könnte, mit sehr wenig Anstrengung, sehr wenigen Ressourcen und sehr geringem Zeitaufwand einen sehr großen Wohlstand zu erzeugen. ….Arbeit ist unendlich. Die Idee, dass uns die Arbeit ausgeht, ist eine Professorenblödheit. ..Was uns ausgeht, ist die alte Arbeit, organisiert in Arbeitsplätzen. Was uns ausgeht, ist Arbeit, die uns jemand anderes sozusagen in die Hände legt. So müssen wir in Zukunft die Arbeit selbst in die Hand nehmen, selbst bestimmen, was wir als Arbeit definieren. … wir können eine Kultur entwickeln – das ist ein Teil des Versuchs der Neuen Arbeit -, in der Menschen weniger arbeiten und mehr freie Zeit haben. Wenn man Arbeit tut, die man wirklich, wirklich will, worin besteht dann der Unterschied zwischen Spiel und Arbeit? Es ist ein Teil meiner Absicht, dass für viele Menschen der begriffliche Unterschied wegfällt.“ (ebd.)

Dieser Sozialphilosophie mit ideologischen Markierungen und einer romantisierten Retrospektive zurück zum Oikos steht ein pragmatisches Verständnis gegenüber, die die Grundidee als Steinbruch benutzt. New Work fungiert hier als Referenzbegriff, leitende oder regulative Idee für die Auswahl von Führungsmethoden und Unternehmenskultur. New Work wird als Hinweis darauf verstanden, dass angesichts der Verwobenheit von technologischen, wirtschaftlichen und sozio-kulturellen Entwicklungen Unternehmen eine besondere Herausforderung anzunehmen hätten: New Work soll neue Wege von Freiräumen für Kreativität und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bei der Arbeit bieten, die private und berufliche Lebenstätigkeit verwebt. Daher müssen Unternehmen eine Vereinbarkeit von individuellen Überzeugungen, Präferenzen, Talenten und Zielen mit denen des Unternehmens bieten und auf der Seite des Arbeitsmodus` zeitliche, räumliche und organisatorische Flexibilität bieten. Konkret sind Unternehmen aufgefordert, alles zum Wohl, zur Motivation, zur Bindung und beruflichen wie privaten, persönlichen Entwicklung von Mitarbeitern zu tun. Dazu gehören Work-Life-Balance-Offerten, selbstbestimmtes Lernen und Arbeiten, demokratisierte Führung (inkl. Erfolgsbeteiligung), Bürokonzepte wie kreative Work-Spaces, Wohlfühl-, Diskussions-, Begegnungsecken etc., das Arbeiten in kleinen agilen Teams. (Kritisch vgl. mein Buch: „Unternehmen in der Psychofalle“.) Seit 2014 wird der New-Work-Award-Preis für zukunftsweisendes Arbeiten im deutschsprachigen Raum verliehen.

Ambidextrie (siehe auch Eintrag August 2017)
Ambidextrie – das Sowohl-Als-auch. Es meint sinngemäß „mit beiden Händen gleichermaßen geschickt“, beidhändig, und wird auch mit dem Begriff des dualen Betriebssystems (Kotter) beschrieben.

Die Idee: Die lukrativen Geschäft(smodelle), die sogenannte Cash Cow oder das Brot-und-Butter-Geschäft weiterbetreiben, auch optimieren, mitsamt den etablierten Prozessen, hierarchischer Top-Down-Struktur. Gleichzeitig sollen (fluide) Strukturen, (dezentrale) Prozesse aufgebaut werden, die in kleinen Einheiten, in agilen Netzwerken eher egalitär organisiert sind und arbeiten, um technologisch basierte Innovationen, gar Disruptionen zu erfinden. Ambidextrie meint ein Sowohl-als-auch, das sich auf Geschäftsbereiche, -modelle, Produkte & Services und auch auf Führung, also auch auf Denkweise („mindset“) und Verhalten/ Handeln bezieht.

Das Sowohl-Als-auch kann unterschiedlich orchestriert werden: parallel, korrelativ; innerhalb einer Organisation oder mit Satelliten etc.. Neben unmittelbar geschäftlichem Erfolg soll ein Organisationsentwicklungsziel gleichsam automatisch mitrealisiert werden: Selbsterneuerungskompetenz. Ambidextre Führung von Unternehmen und Menschen sollte wohlüberlegt inszeniert werden. Zumindest sind begründete Erfolgsbedingungen zu definieren, die unter anderem auch Passung und Leistbarkeit bzw. die Bedingungen der Möglichkeit dazu inkludieren.

Ambidextres Führen wird zwar als neues Paradigma bezeichnet. Das ist es aber nicht, sondern bahnt sich seit den 1950er Jahren seinen Weg. Das Neuartige sind Facetten der technologischen Optionen, Geräte, Verwertungsmöglichkeiten und die hochgradige Eigendynamik, auf die reagiert werden muss. Beidhändig wird insofern seit vielen Jahren geführt, als Führungskräfte umstellen: von traditioneller, auf Hierarchien und Stabilität ausgerichtete Führung auf Führen mit flachen bis gar keinen offiziellen Hierarchien und partizipativen Optionen; seit Jahrzehnten weicht Zentralität zu Gunsten dezentraler, vernetzter Kooperation und demokratisierter Kultur. Das gilt gegenwärtig nicht mehr dominant innerhalb von Unternehmen, sondern bezeichnet eine Kultur von Zusammenarbeit, die sich besonders deutlich auf Plattformen zeigt.

Theoretisch fundiert und praktisch validiert können Unternehmen konstitutive Komponenten in zwei Konzepten finden: Ambidextrie und HRO (Hochzuverlässigkeits-Organisationen, High-Reliability Organisationens: HRO, insbesondere in der Variante von Weick und Sutcliffe). Die Konzepte vereinen das Sowohl-Als-auch (Ambidextres Führen) mit Bereitschaften und Fertigkeiten im psychisch-kognitiven Bereich sowie in der Handhabung von Strukturen und Prozessen. Psychisch-kognitiv: Achtsamkeit, Gegenwärtigkeit, Selbstreflexion (Sich Ertappen bei Voreingenommenheit), bewegliches Denken und Handeln, offener Geist (the attitudeof widom) sowie die Fertigkeit, Ambivalenzen zu erkennen und nicht zu harmonisieren, sondern gezielt dort bestehen zu lassen, wo sie ihre Funktion am besten erfüllen. Strukturen und Prozeduren, einschließlich das Einhalten und Nichteinhalten hierarchischer, zentraler Vorgaben entscheidet sich daran, in welchem Modus sich das Unternehmen bzw. ein Teilbereich befindet (Näheres dazu siehe unten im Blog sowie in einigen meiner Aufsätze und Bücher.)

VUCA & VOPA+
Die Bewährungsprobe in der VUCA-Welt erfüllt am ehesten, so eine führungsmethodische Generalantwort, wer sich VOPA+ zu eigen macht. Auch dies nichts Neues, nur neues Kleid: VOPA+ bringt kategoriale Ordnung in die Führungswelt, insofern sie die 5 wesentlichen Kategorien des Führens, die spätestens seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Favoriten sind, in der Digitalen Transformation als unentbehrlich und basal vorgibt:

VUCA: volatil, ungewiss, komplex, ambigious.
VUCA = Zeitdiagnose mit Folgen für Führung; Akronym entstammt US-Army –College im Rahmen des 2. Irak-Krieg; 2000 von David Freedman im Buch „Corps Business“ beschrieben. VUCA bezieht sich auf die Veränderung der Kriegsführung (traditionell stehen sich Armeen gegenüber vs heute: kleine Gruppen wie Al Quaida, IS, Taliban etc., die unberechenbar in kleinen Einheiten agieren und sich nicht an Kriegsführungsregeln orientieren); Ziel von VUCA: Handlungsfähigkeit sichern und Erfolge in militärischen Konflikten ermöglichen – analog in der Wirtschaftswelt.

  • Das geht einher mit Orientierung an dem, was Soldaten/Mitarbeiter benötigen: Training & Entwicklung, Ausrüstung, Taktiken/Techniken/ Prozeduren, und mit folgenden Voraussetzungen: Agilität & physische Fitness, kulturelle Kenntnis, Vorbereitung via „blended, immersive training“ (RM: blended learning, Gaming mit Ziel Immersion), Fertigkeiten für das 21. Jhdt., vielseitige Verbindungen zu Betroffenen und Beteiligten (Nationen, Regierungen etc.), Befähigung durch „mission command“ (RM: Mission, Sinn).
  • Ausbildung wird groß geschrieben und bezieht sich auf Menschen (Vision & Strategie), Prozesse (Ziele & Planung, inkl. After-Action-Reviews), Tools (personalisiertes, professionelles Lernen))


VOPA+: eine Abkürzung für unternehmenskulturelle Voraussetzungen, Digital Leadership, Agiles Arbeiten & New Work zu realisieren.
Eingebettet in Vertrauenskultur (Vertrauen als Basis zu Menschen und Technologie): Vernetzung (inner-, außerhalb des Unternehmens), Offenheit (open minded, offene Entwicklung), Partizipation (inner-, außerhalb des Unternehmens), Adaptivität (agile Anpassungsfähigkeit in den Facetten Ein-, Anpassung, Voreinstellung bzw. Assimilation, Adaptation, Approximation, Antizipation).
VOPA+ als Generalbasis für Führung = als Version von Digital Leadership: Vernetzung von Menschen über Themen/Produkte – Transparenz in Austausch – Partizipation der Nutzer an Produktdesign – frühestzeitig Signale für Korrekturen (Agilität, Adaptivität), vgl. Haufe: Digital Leadership: Die Kunst der kontinuierlichen Selbststeuerung.

Zu den einschlägigen Methoden in pointierter und kurzer Form siehe Eintrag: November 2016 und Artikel in „Publikationen“. Die Markierung von Kernzielen gibt (u.a.) Anhaltspunkte dafür, in welchen Kontexten sich welche Methode am ehesten empfiehlt.

Dr. Regina Mahlmann
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